ZUR ÖKOLOGIE VON FLEDERMÄUSEN IN MITTELEUROPÄISCHEN STÄDTEN
Inhaltsverz. Einleit. Grundl. Flederm. in Städten Stadtbewohner? Schutz Abstract Literat.
Fledermäuse gehören zu den wenigen Tieren, die einerseits durch den Menschen bedroht sind, bei denen andererseits aber, wie ich dargestellt habe, einige Arten eine starke Bindung an große menschliche Siedlungen zeigen. Entgegen der Meinung vieler Menschen, Naturschutz in Städten hätte nur ästhetischen Wert, und Organismen ließen sich in solch stark anthropogen geprägten Lebensräumen nicht sinnvoll schützen, muß für diese Fledermausarten (die Stadtfledermäuse) festgestellt werden, daß ihre starke Bindung an Städte dafür ausschlaggebend sein muß, die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung - die die Stadt darstellt - zu schützen und zu fördern.
Um gezielt Fledermäuse in Städten schützen zu können, müssen die Faktoren bekannt sein, die die Artenanzahl und die Häufigkeiten der Fledermäuse in einer Stadt bedingen. Sie lassen sich aus den bisherigen Ergebnissen meiner Arbeit schlußfolgern:
"Die günstigen Temperaturverhältnisse im Winter, das reiche Angebot an Hohlräumen in und an Gebäuden und vielleicht auch Tradition mancher Fledermauspopulationen, diesen ältesten Stadtteil zu nutzen, sind wohl für diesen Artenreichtum ausschlaggebend."
Nur wenige Arten, wie die Zwergfledermaus, besiedeln teilweise auch Neubauten, was wohl an den auch dort auftretenden kleinen Spalten liegt, größere Spalträume weisen meist nur ältere Bauwerke auf. GÜTTINGER et al. [1988] zeigt, das in der Schweiz (Region St.Gallen-Appenzell) fast nur Gebäude, die vor 1950 gebaut wurden, von Fledermäusen besiedelt werden. Typische Hochhausbauten aus den 60er und 70er Jahre mit ihren vorgehängten Fassaden werden auch durch einige Arten (Zweifarbfledermaus, Großer Abendsegler) als Ersatz für Felsquartiere besiedelt. Für andere Neubauten gilt
"... dass in der heutigen Zeit eine Neubesiedlung von Gebäudequartieren hauptsächlich den flexiblen, Spaltquartiere bewohnenden Fledermäusen vorbehalten ist." [GÜTTINGER et al. 1988]
Besondere Gebäude wie z.B. Bunker-, Festungsanlagen und Stollensysteme können dazu führen, daß neben den zu erwartenen Arten, mobile Fledermausarten (z.B. Fransenfledermaus) die Städte im Winter nutzen und aus einem weiteren Umland in die Stadt einfliegen.
Die bauliche Altersstruktur hat einen großen Einfluß auf die Besiedlung städtischer Lebensräume durch Fledermäuse. Die Artenzahl einzelner Städte hängt jedoch
"... entscheidend davon ab, inwieweit [das] hypothetische Quartierangebot den Fledermäusen tatsächlich zur Verfügung steht. Die Vernichtung alter, besonders quartierreicher Bauten, die Versiegelung von Spalten und Quartierzugängen, die unsachgemäße Renovierung von Dachstühlen und eine übertriebene Ordnungsliebe können das Quartierangebot erheblich reduzieren." [ARNOLD & SPITZENBERGER 1993]
Das Quartierangebot der Stadt kann dazu führen, daß neben den beiden Stadtfledermausarten, die ihr Quartier im Sommer in Baumhöhlen beziehen, auch andere Waldfledermäuse häufiger in städtischen Wäldern und Parkanlagen auftreten.
"Das Beispiel Bayreuth zeigt, daß in Parkanlagen ebenfalls eine große Zahl von Quartieren für baumbewohnende Fledermäuse zur Verfügung stehen kann, was vor allem darauf zurückzuführen ist, daß Bäume in Parkanlagen [in Bayreuth] wesentlich später gefällt werden als solche in Wirtschaftswäldern." [ARNOLD & SACHTELEBEN 1993]
"Nur wenige stark angepaßte Arten wie die Zwergfledermaus können das nahezu vegetationslose Innere einer Stadt längerfristig nutzen, während anspruchsvolle Arten ... andere Ansprüche an ihren Lebensraum haben." [ARNOLD & SACHTELEBEN 1993]
Stadtfledermäuse ziehen ansonsten offene, lichte Jagdräume vor. Parkanlagen und andere offene Grünflächen (z.B. Sportanlagen, Friedhöfe) entsprechen stärker den Ansprüchen dieser Arten, die auch durch ihre Quartieransprüche an das Angebot der Stadt angepaßt sind. Wälder und waldähnliche Parkanlagen korrespondieren eher mit Jagdstrategie und Nahrungsspektrum der in Städten selteneren Waldfledermausarten.
Gewässer dienen einigen Arten als Jagdraum. Kenntnisse über die notwendige Naturnähe von Gewässern, um von Fledermäusen genutzt werden zu können, sind gering. Es läßt sich aber vermuten, daß Fledermäuse reich strukturierte Gewässer vorziehen.
Generell fördern naturnahe reich strukturierte Gewässer und Grünflächen die Artendiversität und die Häufigkeit von Fledermäusen in der Stadt.
Nur bei räumlicher Nähe bzw. innerhalb der Mobilitätsgrenzen liegenden Entfernungen von Jagdräumen zum Quartier können die städtischen Lebensräume für die Tiere erschlossen werden. Verbindende Grünzonen fungieren dabei als "Verkehrsadern" der Fledermäuse. Die Bedeutung der "Vernetzung von Landschaftsstrukturen" für Fledermäuse in Städten wurde laut RICHARZ [1993] an urbanen Gebieten in Kassel und Gießen bestätigt.
Fehlen diese Bereiche, in denen sich die Tiere bewegen können, findet keine Besiedlung durch die Tiere statt. Existieren Verbindungswege zum Umland der Stadt, kann dieses als Jagdraum für stadtbewohnende Tiere dienen.
"Dem unmittelbaren Umfeld [kleiner Städte (im Rahmen dieser Arbeit um 50.000 Einwohner)], wo am ehesten ein größerer Strukturreichtum erwartet werden kann, kommt [eine] hohe Bedeutung zu. Ein Vergleich der bayerischen Städte verdeutlicht dies... Städte, die zum großen Teil von einem strukturreichen Umland umgeben sind, welches sich bis in die Städte hineinzieht, haben fast durchweg hohe Artenzahlen, während ... Städte, deren Umland häufig durch eine sehr intensive Landwirtschaft geprägt ist, niedrigere Artenzahlen aufweisen." [ARNOLD & SACHTELEBEN 1993]
Aus den zwei letzten Faktoren (Quartierangebot und dessen Kombination mit möglichen Jagdräumen) lassen sich unter Anlehnung an KLAWITTER [1986] auf den Menschen zurückgehende Gefährdungsursachen zusammenstellen, die für Fledermäuse besonders in Städten von Bedeutung sind:
Ohne auf die Schutzkonzepte genauer einzugehen, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, können Schutzmaßnahmen offensichtlich aus den Gefärdungsursachen hergeleitet werden.
Die starke Bindung der acht Stadtfledermausarten sollte dazu führen, daß ein besonderes Augenmerk auf den Schutz dieser Tiere gelegt wird. Der Schutz gebäudebewohnender Fledermäuse wird eingehend z.B. von STUTZ & HAFFNER [1992] und RICHARZ [1986] betrachtet, die vor allem auf die Möglichkeiten fledermausfreundlicher Bau- und Sanierungsmaßnahmen an Häusern eingehen.
Die in Städten seltenen Waldfledermäuse lassen sich nur über langfristige Maßnahmen der "naturorientierten Parkpflege" [LEHNERT et al. 1993] in die Stadt holen, werden sich aber meiner Meinung nach grundsätzlich nicht an städtische Strukturen binden. Schutzmaßnahmen sind insofern sehr schwierig zu erarbeiten, da man in der Stadt den Ansprüchen der Tiere ohne starke Änderung städtischer Strukturen nicht gerecht werden kann. Der Ansatz der naturorientierten Parkpflege wird jedoch auch von ARNOLD & SACHTELEBEN [1993] propagiert. Da sie nicht nur Fledermäusen zu gute kommt, sondern einer Entwicklung städtischer Grünflächen zu allgemein naturnäheren Lebensräumen Vorschub leistet, ist diese auch grundsätzlich zu befürworten und zu fordern.
"Für baumbewohnende Fledermäuse ist das Angebot an alten, höhlenreichen Bäumen von großer Bedeutung. Deshalb ist es wichtig, daß entsprechende Bäume vor allem in den Parkanlagen erhalten bleiben. Bäume sollen hier nur noch in Ausnahmefällen gefällt werden - eventuell notwendige Wegesicherungen lassen sich in der Regel auch durch das Absägen einzelner morscher Äste erreichen. In den Wäldern kann das Angebot an Baumhöhlen zum einen dadurch erhöht werden, daß vermehrt alte, absterbende Bäume und Totholz stehengelassen werden, zum anderen dadurch, daß die Umtriebszeit der Bestände erhöht wird; schließlich durch eine Ausweisung von Naturwaldparzellen, die sich selbst überlassen bleiben. Auch die Förderung der standortheimischen Laubgehölze ... kann zu einer Erhöhung des Quartierangebotes führen da Laubbäume in der Regel höhlenreicher als Nadelbäume sind. In städtischen und Staatswäldern sollten solche Maßnahmen selbstverständlich sein... Die Schaffung von Ersatzquartieren durch das Anbringen von Nistkästen hat nur eine untergeordnete Bedeutung..." ARNOLD & SACHTELEBEN [1993]
Zu guter letzt soll ein meiner Ansicht nach sehr interessanter Aspekt des Fledermausschutzes durch ein Zitat angesprochen werden.
"Unsere (und Anderer) Erfahrung zeigt, daß gerade die Fledermäuse beste Voraussetzungen mitbringen um das Interesse für Naturschutz auch bei Menschen zu wecken, die dafür bisher wenig Problembewußtsein entwickelt haben. Das kaum vorhandene Basiswissen über Fledermäuse, gepaart mit einer zunächst eher negativen Einstellung zu dieser Tiergruppe, stellt ein Vakuum dar, das sich bei entsprechender Aufbereitung rasch positiv besetzen läßt. Die 'Exotik' der Fledermäuse (ihr Aussehen, ihre Lebensweise), ihr 'High-Tech' der Echoortung, unser 'High-Tech' zur 'Sichtbarmachung' der Ortungslaute (Detektorarbeit), ihre engen verwandtschaftlichen (Säuger, aufwendige 'Einzel'-Kindererziehung) und räumlichen (Mitbewohner in unseren Häusern, Lebewesen unseres Wohnumfeldes) Beziehungen zu uns, ergeben zusammen ein positives Spannungsfeld zur Vermittlung gezielter Naturschutzbotschaften." [RICHARZ 1993]
Blättern: Welche Fledermausarten sind typische Stadtbewohner? Zusammenfassung & Abstract
Inhaltsverz. Einleit. Grundl. Flederm. in Städten Stadtbewohner? Schutz Abstract Literat.
©verfaßt von Tiemo Redel -Germany (Berlin)- und zuletzt verändert am am 20.Oktober 1996
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