bat ZUR ÖKOLOGIE VON FLEDERMÄUSEN IN MITTELEUROPÄISCHEN STÄDTEN bat


Inhaltsverz. Einleit. Grundl. Flederm. in Städten Stadtbewohner? Schutz Abstract Literat.


Kapitel 4 Sind Fledermäuse typische Stadtbewohner? -Fortsetz.-

Begriffsbestimmung Synanthropie bei Fledermäusen Welche Fledermausarten sind typische Stadtbewohner?

Synanthropie bei Fledermäusen

STRELKOV [1969] und HORACEK [1979] bleiben hinter der Definition SCHAEFERs [1992] mit der Einengung TISCHLERs [1993] (s.o.) bei ihrer Anwendung des Synanthropiebegriffs auf Fledermäuse zurück. Unter der Gleichsetzung von Gebäuden und menschlichen Siedlungen wenden STRELKOV [1969] und HORACEK [1979] den Begriff der Synanthropie auf Gebäude- bzw. Hausfledermäuse an. Nach ihnen gelten diese bereits als synanthrope Arten.

"Hausfledermäuse sind die letzten Fledermäuse, die durch ihre Präadaptationen* an urbane Besonderheiten noch fähig sind, in den heutigen Siedlungen zu leben." [KLAUSNITZER 1989]

Dieser Aussage folgend, möchte auch ich eine Trennung in Hausfledermäuse und andere Arten vornehmen, um den Kreis derjenigen Arten einzugrenzen, die als typische Stadtbewohner in Frage kommen.

Entsprechend den Angaben von RICHARZ [1986], der 18 Fledermausarten als Gebäudefledermäuse in Deutschland bezeichnet, läßt sich diese Zahl für Mitteleuropa meiner Meinung nach auf 20 Arten erhöhen (siehe Abbildung (63KB) zum Hauptvorkommen mitteleuropäischer Fledermausarten im Sommer und Winter (Baum-, Fels- und Gebäudequartiere) nach JÜDES [1990], RICHARZ [1986] und SCHOBER & GRIMMBERGER [1987]), die dann nach STRELKOV [1969] und HORACEK [1979] als synanthrop zu bezeichnen wären. Als Basis dienen die 21 Arten, die in Städten vorkommen (siehe Tabelle2).


Bis auf den Kleinen Abendsegler finden sich im Laufe des Jahres von allen anderen Arten Hauptvorkommen an Gebäudequartieren. Eine starke Bindung an Gebäude lassen die drei Arten, Großes Mausohr, Zwerg- und Breitflügelfledermaus erkennen, da Schwerpunktvorkommen dieser Arten Gebäude als ganzjährigen Quartiertyp bevorzugen. Die Waldfledermäuse Wasser-, Rauhhaut-, Bechsteinfledermaus und der Große Abendsegler leben halbjährig gebäudegebunden. Bei den restlichen 15 Arten finden sich ganzjährig Hauptvorkommen an Gebäuden und gleichermaßen an Baum- und Felsquartieren.


Die enge Bindung von Zwerg- und Breitflügelfledermaus an den Menschen zeigt sich in ihren ganzjährigen Besiedlungen von zumeist Spaltenquartieren an Gebäuden. Auch STRELKOV [1969] bezeichnet die ursprünglich baumhöhlenbewohnende Zwergfledermaus als synanthrope Art, die ihre Bindung an natürliche Quartiere verloren hat:

"P. pipistrellus is a considerably less 'tree' species ... In a great part of its range this species has changed its ways of living for the synanthropic ones to a great extent and has lost its connection with natural shelters almost completely."

Analog kommt BEILSTEIN [1992] für die deutsche Küstenlandschaft zu dem gleichen Ergebnis für Zwerg- und Breitflügelfledermaus, wobei er eine weitere Anpassung erwähnt:

"In weiten Bereichen der Westküste sind Hohlräume an und in .. Gebäuden die einzigen Fledermaus-Quartiere. Synanthropie bei der Auswahl von Tages- und Winterschlafplätzen ist daher für eine Fledermausart Voraussetzung für eine Besiedlung dieses Gebietes. Analog dazu erfordern die hier verfügbaren Fledermaus-Jagdhabitate die Anpassung der Tiere an eine vom Menschen stark beeinflußte Kultur'steppe' ... Besonders den zwei häufigsten Fledermausarten der schleswig-holsteinischen Westküste, Zwerg- und Breitflügelfledermaus, wird ... in dieser Hinsicht große Flexibilität bescheinigt, ..."

Die Anpassung an menschliche Bauwerke zeigt sich auch im Verhalten der Breitflügelfledermaus. KURTZE [1991] berichtet von vielen Breitflügelfledermäusen, die sich in ihren Quartieren auf Dachböden in die Nähe der warmen Schornsteine hängen:

"Breitflügelfledermäuse sind somit wie andere Fledermausarten auch (Mausohr, Hufeisennasen, Zwergfledermaus, Braunes Langohr, Graues Langohr) synanthrop."

Nach STRELKOV [1969] sind alle nördlichen Arten von Fledermäusen synanthrop, da sie öfter an menschlichen Gebäuden nachgewiesen werden als an nicht anthropogen geprägten Quartieren. Diese Bemerkung deutet die Erkenntnis an, daß einige Fledermausarten, die in südlicheren Gefilden Europas als Felsfledermäuse erscheinen, in Mitteleuropa als Hausfledermäuse einzustufen sind. Die von TISCHLER [1993] benannte "nach Norden zunehmende Synanthropie" ist auch bei der Breitflügelfledermaus zu erkennen.

"Das Prinzip der nach Norden fortschreitenden Synanthropie ... läßt sich damit belegen, daß ... Breitflügelfledermäuse [in] ... Südeuropa nicht mehr auf Behausungen angewiesen [sind], wie z. B. Cerveny [1982] an Vorkommen in Rumänien nachweist. Hier wird die Breitflügelfledermaus als typischer Höhlenbewohner beschrieben, was wohl für den gesamten Schwarzmeerbereich gilt ... Es scheint damit sicher, daß sich auch in der Wahl der Überwinterungsplätze eine deutliche Synanthropie dokumentiert. Dies vermutete bereits Löns [1906], der die Breitflügelfledermaus als fakultativ synanthrop einstufte." [KURTZE 1991]

Zu gleichen Aussagen kommen PIEPER & WILDEN [1980].

Wimpernfledermaus, Kleine und Große Hufeisennase und Große Mausohren zeigen das gleiche Phänomen. Sie sind in ihren nördlichen Verbreitungsgebieten in Mitteleuropa Hausfledermäuse, in Zentral und Südeuropa jedoch Felsfledermäuse (SCHOBER & GRIMMBERGER 1987].

Die Zunahme der Synanthropie nach Norden hin läßt sich mit ungünstigeren Temperaturbedingungen begründen. Aus dem unterschiedlichen Quartierverhalten im Norden und Süden läßt sich die Frage beantworten, wo Gebäudefledermäuse vor der Existenz des zivilisierten Menschen mit seinen temperaturisolierenden Bauten den lichten Tag verbracht haben?

Mit der Ausbreitung in kältere Regionen ist den Tieren durch den "Synanthropisationsprozeß" [HORACEK 1979] eine Verbreitung in Gebiete gelungen, die den ursprünglichen Quartieransprüchen der Fledermäuse nicht entsprechen. Gebiete, in denen weniger Felswände und höhlen existieren, wurden von ursprünglichen Felsbewohnern als Ersatzquartier angenommen und später teilweise zum bevorzugten Quartiertyp umgewandelt.

"Die Felsfledermäuse ... haben ursprünglich nur in natürlichen Felshöhlen überwintert. Sie tun das heute noch vorwiegend in höhlenreichen Karstgebieten, wie der Fränkischen Schweiz oder der Schwäbischen Alb. Sekundär haben sie dann auch von Menschen geschaffene 'künstlichen Höhlen' (Stollen und Keller) mit ähnlichen ökologischen Bedingungen wie in den natürlichen Höhlen angenommen. Diese Felsfledermäuse sind so gewissermaßen zu Kulturfolgern geworden, indem sie dem Menschen auch in Gebiete gefolgt sind, die ihnen vorher verschlossen waren. In der Norddeutschen Tiefebene zum Beispiel, die keine natürlichen Höhlen aufweist, sind die 'Felsfledermäuse' völlig auf die vom Menschen - natürlich unfreiwillig - geschaffenen Überwinterungsmöglichkeiten angewiesen." [KLAWITTER 1972]

Im gleichen Maße hat das Große Mausohr nach STRELKOVs [1969] Meinung früher nur Zentral- und Südeuropa in Höhlen bewohnt und ist erst im Rahmen einer Synanthropisierung in den Norden, ins kältere und felshöhlenärmere Mitteleuropa vorgedrungen. Die ganzjährige Bindung des Großen Mausohrs an Gebäude könnte so als eine Folge eines Ausbreitungsprozesses gesehen werden.

"Sommerkolonien des Grossen Mausohrs w[e]rden in Mitteleuropa nur selten in Höhlen und höhlenähnlichen Räumen gefunden... Für eine erfolgreiche Fortpflanzung sind sie mehrheitlich auf Dachstockquartiere angewiesen, da offenbar nur diese ihren hohen wärmeklimatischen Ansprüchen noch genügen können. Das Vorkommen des Grossen Mausohrs in Mitteleuropa ist demzufolge anthropogen bedingt." [GÜTTINGER 1994]

Und für die Zweifarbfledermaus schreibt BAUER [1954]:

"... die Wahl der Rastplätze und die Besiedlung der Großstädte durch diese Art scheinen mir dafür zu sprechen, daß es sich um ein Felstier handelt. Ursprünglich Bewohner der südwestasiatischen Gebirge war die Art erst nach Anpassung an die Besiedlung menschlicher Bauten in der Lage, ihr Areal über die Ebenen Westsibiriens und Osteuropas auszuweiten. Dabei ist sie aber ihrem ursprünglichen Klimaraum treu geblieben und bei ihrem Vordringen in das atlantische Klimagebiet mehr und mehr zur Beschränkung auf die lokalklimatisch extremst kontinentalen Lebensräume, die Steinwüsten der Großstädte gezwungen worden."

Bei genannten Felsfledermäusen ist die Ausdehnung des Verbreitungsgebiets nach Norden und Westen hin ein Grund, der zur Synanthropie führte. Andere Arten erlitten und erleiden in ihren althergebrachten Verbreitungsgebieten Mangel an Quartieren. Durch die Entstehung städtischer Siedlungen in Mitteleuropa ergeben sich für diese Fledermausarten neue Quartiermöglichkeiten in und an Kirchen und Häusern.

"Mit der Verringerung des Angebots geeigneter 'natürlicher' Lizenzen [wurde] die Entstehung der Synanthropie .. gefördert, weil ein Zwang zur Erschließung neuer Lizenzen [bestand]. Im Extremfall verschwanden diese ursprünglichen Lizenzen völlig, die Synanthropie wurde ausschließlich" [KLAUSNITZER 1993a]

Diesen Weg zur Synanthropie mußten sicherlich schon einige Fledermausarten gehen. Da die ursprünglichen Quartieransprüche nur schwer nachvollziehbar sind, sind wenige Informationen in der Literatur zu lesen. Nachweise baumhöhlenbewohnender Breitflügelfledermäuse in Südniedersachsen [KURTZE 1991], in Schleswig-Holstein [PIEPER & WILDEN 1980] und Großbritannien [STEBBINGS 1977] deuten im Gegensatz zu den Daten von KURTZE [1991] aus Rumänien (s.o.) auf die ursprüngliche Bevorzugung der Breitflügelfledermaus von Baumhöhlen hin.

Betreffend der Zwergfledermaus schreibt SPITZENBERGER [1990]:

"Ursprünglich wohl eine Baumfledermaus [Waldfledermaus, d.Verf.], hat sie sich mit zunehmender Ausbreitung der menschlichen Zivilisation immer mehr von ihren natürlichen Einständen in Baumhöhlen (sommers und winters) und Felsspalten (winters) entfremdet und wählt ihre ... [A]ufenthalte ... in Gebäuden."

Es deuten sich Gründe für eine Besiedlung der großen menschlichen Siedlungen an, Quartiermangel und ungünstige Temperaturbedingungen in alten und neuen Siedlungsbereichen ließen eine Anpassung an Gebäude zu. Die Ansprüche einiger Arten, die nach STRELKOV [1969] als synanthrop zu bezeichnen sind, führten aber nicht so weit, daß auch Städte von den Tieren besiedelt werden konnten. Einige Hausfledermäuse sind, wie in Kapitel 3 Fledermäuse in mitteleuropäischen Städten dargestellt, in Städten relativ selten, bzw. besiedeln keine typisch städtischen Strukturen. Die große Anzahl Fledermausarten, die an Gebäude gebunden ist, führt also nur zu einer geringen Eingrenzung der Arten, die eine stärkere Bindung an städtische Lebensräume aufweisen.


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©verfaßt von Tiemo Redel -Germany (Berlin)- und zuletzt verändert am am 20.Oktober 1996

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